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Beschwerden systematisch managen

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Der Umgang mit Beschwerden war schon immer essentiell wichtig für Unternehmen, wird praktisch allerdings viel zu oft fahrlässig vernachlässigt. Richtig bearbeitete Beschwerden vertiefen u. a. Kundenbeziehungen, erzeugen Verständnis, Transparenz und Seriosität. Nicht zuletzt dienen solche auch der eigenen Verbesserung des Unternehmens oder verhindern grundsätzlich unnötige und vermeidbare Eskalationen. Das ist auch der Grund warum in machen Branchen ein systematisches Beschwerdemanagement sogar empfohlen oder verbindlich vorgegeben wird.

Für Inkassounternehmen regelt beispielsweise der Bundesverband Deutscher Inkassounternehmen (BDIU) für seine Mitglieder eine Pflicht ein solches System zu führen. Alle Mitglieder dieses Verbandes unterwerfen sich freiwillige dem dort geltenden “Code of Conduct↗. Dieser regelt den Umgang mit Beschwerden durch Inkassounternehmen in den §§ 75 ff. für die Mitglieder des Verbandes.

Wir sind nicht Mitglied dieses Verbandes, haben allerdings die meisten zu unserer Tätigkeit passenden Inhalte dieses “Code of Conduct” in unsere Arbeitsroutine übernommen. Dies auch und vor allem, weil dieses Regelwerk inhaltlich sowohl Gesetz, als auch Rechtsprechung in korrekter Art und Weise umsetzt.

Dieser Artikel befasst sich mit dem Thema einer systematischen Bearbeitung von Beschwerden am Beispiel unserer Unternehmen. Das System wird dabei hier starkt verkürzt und nur hinsichtlich der wichtigsten Punkte für Dich abgebildet. Solltest Du unser System vertieft kennenlernen wollen, nimm einfach und gerne Kontakt zu uns auf.

A. Definition der Beschwerden

Für jedes funktionierende und prozessorientierte Managementsystem ist es zunächst elementar, die Rahmenbedingungen im Vorfeld festzulegen. Dazu zählt auch bereits die Definition des Begriffes der “Beschwerden“.

Nur bei unternehmensweit gleicher Anwendung aller bestehenden Maßstäbe und Richtlinien können faire und flächendeckend qualitativ gleich laufende Lösungen erarbeitet werden. Es wäre ja auch irgendwie unfair, wenn zwei verschiedene Personen mit vergleichbarem Anliegen gänzlich unterschiedlich behandelt werden. Hast Du Dich schon mal irgendwo beschwert und was empfindest Du bereits als “beschwerdewürdig“? Legst Du dabei immer den gleichen bewussten oder unterbewussten Maßstab an?

Weil vorstehende Fragen je nach Tagesform und Situation, sowie nach äußeren Faktoren unterschiedlich beantwortet werden können, müssen einheitliche, klare und eindeutige, sowie immer gleich laufende Rahmen gesetzt werden, wenn Unternehmen sich systematisch mit einer bestimmten Materie auseinandersetzen wollen oder müssen. Den Begriff der Beschwerde können Unternehmen eng oder weit auslegen. Beispielsweise können Beschwerden nur dann als solche definiert werden, wenn eine echte “Reklamation” zu einem Produkt oder einer Dienstleistung vorliegt oder es könnte als extremes Gegenbeispiel jede Form einer erkennbaren Unzufriedenheit als Beschwerde aufgenommen werden.

Wir haben uns bewusst für Letzteres entschieden und legen damit einen überaus weiten Spielraum in dieser Thematik intern fest. Jede für uns erkennbare “Unzufriedenheit” wird intern als Beschwerde behandelt und bearbeitet.

B. Beschwerdeführer

Die Person, die eine “Unzufriedenheit” äußert, bezeichnen wir als Beschwerdeführer. In vielen Unternehmen können das praktisch im Außenverhältnis nur die tatsächlichen Kunden der Unternehmen sein.

Inkassounternehmen nehmen am Markt eine etwas andere und eher ungewöhnlichere Stellung ein. Einerseits werden Inkassodienstleister vertraglich durch einen Auftraggeber im Innenverhältnis beauftragt zur Durchführung der entgeltlichen Forderungbeitreibung, andererseits vertreten diese Dienstleister den Auftraggeber anschließend im unmittelbaren Kontakt zu deren Schuldnern im Außenverhältnis. Eine vertragliche Beziehung zwischen Inkassounternehmen zu Schuldnern besteht deshalb nicht. Schuldner sind deshalb auch keine “Kunden” von Inkassounternehmen.

Diese Vertretungsstellung im Außenverhältnis versetzt das Inkassounternehmen praktisch quasi dem Schuldner gegenüber aus dessen Perspektive in die Stellung und Sphäre des konkreten Auftraggebers und Gläubigers der Forderung. Der Schuldner soll jetzt also auf die Kontaktaufnahmen durch den Inkassodienstleister reagieren. Tut er dies, wird er nicht selten inhaltliche Einwendungen oder ähnliches gegen die geltend gemachte Forderung erheben.

Das Inkassounternehmen darf grundsätzlich nach eigener erfolgter Rechtsprüfung der Unterlagen und Informationen des Auftraggebers zur Forderung auf die Angaben des Auftraggebers vertrauen, muss aber auch rechtlich relevante Argumente des Schuldners berücksichtigen, soweit diese Auswirkungen auf die Forderung haben könnten. Inkassodienstleister dürfen im Rahmen Ihrer Tätigkeit nur berechtigte Forderungen bei Schuldnern beitreiben. Deshalb macht es Sinn aus Sicht des Inkassounternehmens, Schuldner ebenfalls wie eigene Kunden bei entsprechenden Reaktionen des Schuldners sinngemäß zu behandeln und deren inhaltliche Argumente als “Unzufriedenheit” gegen den Anspruch des Auftraggebers einzuordnen.

Damit ist der Weg frei für das systematische Beschwerdemanagement des Inkassodienstleisters.

C. Beschwerdekanäle

Da viele Schuldner Kontaktaufnahmen durch Inkassounternehmen eher als negativ empfinden und emotionalisiert darauf reagieren, ist es oft praktisch gar nicht einfach eine sachliche Ebene zu gelangen um auch eine inhaltliche Auseinandersetzung in der Forderungssache selbst zu erreichen.

Daher spielt es bereits – neben der psychologischen Schulung der Mitarbeiter – eine erhebliche Rolle, auf welche Art und Weise ein Inkassodienstleister den Erstkontakt zum Schuldner herstellt. Da dies meist in Form einer Erstanschreibens stattfindet, da der Gesetzgeber zahlreiche Transparenzpflichten zum Schutz der Schuldner erfüllt haben will und dies gesetzlich vorschreibt (vgl. § 13a Absätze 1, 2 RDG), wird es also auf den Inhalt dieser Erstanschreiben ankommen.

Verbraucherschützer bemängeln dahingehend häufig, dass in diesen Erstanschreiben eine durch “wording” und Inhalt gefühlte “Drohkulisse” zu Lasten der Schuldner erzeugt wird. Auch sollen zumeist nicht ausreichende Handlungsoptionen für Schuldner darin aufgezeigt werden, sondern es soll angeblich suggeriert werden, dass “nur” die Zahlung “Ruhe bringen” würde. Das ist praktisch leider nur bedingt richtig. Sicherlich kann man subjektiv Inkassoschreiben aus Sicht eines Schuldners als inhaltlich bedrohlich empfinden. Diese sind allerdings als nichts anderes als eine “weitere Mahnung” zu Gunsten des Auftraggebers gegenüber dem Schuldner einzuordnen. Und wer empfindet Mahnungen denn schon als toll oder spaßig?

Die darin auch meist enthaltenen Hinweise, wie das Inkassounternehmen bei erfolglosem Fristablauf weiter gegen den Schuldner vorgehen wird, werden ebenfalls oft als bedrohlich seitens Schuldnern wahrgenommen. Diese Wahrnehmung ist dabei schlichtweg nicht unbedingt richtig, da diese Hinweise einerseits der Aufklärung dienen um Schuldnern aufzuzeigen, dass eine Reaktion für diese sinnvoll ist, andererseits soll gerade eine schuldnerseitige Reaktion dadurch ausgelöst werden und nicht zuletzt sollen Schuldner die Risiken einer weiteren Reaktionslosigkeit zur Kenntnis nehmen können.

Auch deshalb sind in fast allen seriösen Inkassoanschreiben auch Kontaktangaben zur Rückmeldung enthalten um eine “Klärung der Sache” oder “einvernehmliche Lösung” gemeinsam erzielen zu können. Dabei werden Beschwerdekanäle meist bereits aufgezeigt.

ca. Beschwerden per Formular

Neben einfacher Nennung einer für die schuldnerseitige Eingabe von Beschwerden eingerichteten und nur zu diesem Zweck vorgehaltener Email Adresse des Inkassounternehmen, die den Vorteil bietet, dass die Beschwerde von Beginn an an den richtigen und darauf spezialisierten und qualifizierten internen Beschwerdesachbearbeiter gerichtet ist, halten Inkassounternehmen auch in aller Regel Beschwerdeformulare elektronisch oder als Dokument in Papierform für die Nutzung durch Schuldner vor. In der heutigen Zeit ist es sicherlich wahrscheinlicher, dass solche Formulare elektronisch vorhanden sind. Dies meist in Form von entsprechenden Kontaktformularen auf den Homepages der Inkassodienstleister.

Bei uns beispielsweise wird beides praktiziert. Auf unserer Homepage finden Schuldner das Beschwerdeformular im Schuldnerportal. Dort finden Schuldner das Formular auch zum Download als Worddatei und wir versenden dieses Formular auch mit jedem Erstanschreiben an Schuldner per Post oder Email.

cb. Beschwerdestellen

Stellen um sich zu beschweren gibt es in jeder Branche zahlreiche – teilweise – mit inhaltlich sehr spazialisiertem Aufgabenfeld. Nachfolgend sehen wir uns die neben den intern in Unternehmen bereitgehaltenen Beschwerdestellen die darüber hinaus extern existierenden Beschwerdestellen genauer an.

cba. Aufsichtsbehörden

Manchen Branchen, wie beispielsweise die Inkassobranche ist gesetzlich überaus reguliert und für die praktische Markttätigkeit seitens des Gesetzgebers – meist zum Schutz der Verbraucher – unter die Aufsicht einer Aufsichtsbehörde gestellt. Inkassounternehmen unterstehen dabei der Aufsichtsbehörde, bei welcher sich das Unternehmen auch vor erstem Tätigwerden hat registrieren müssen. Nur registrierte Inkassounternehmen dürfen in Deutschland Inkassodienstleistungen durchführen. Die Aufsichtsbehörde ist dabei die spezielle Anlaufstelle für sämtliche Beschwerden, bei denen Verletzungen der Inhalte der gesetzlichen Regelungen im Raum stehen könnten. Beispielsweise kann sich ein Schuldner dort beschweren, wenn der Inkassodienstleister überhöhte Inkassokosten verlangt oder nicht ordnungsgemäß die gesetzlichen Informationspflichten erfüllt.

Nicht zuständig ist diese Aufsichtsbehörde zur Prüfung ob einer Forderung überhaupt besteht oder ob der persönliche Umgangston eines Mitarbeiters bei telefonischem Kontakt freundlich war. An die Aufsichtsbehörde kann man sich relativ unbürokratisch schriftlich per Posteingabe oder elektronisch per Email wenden.

cbb. Berufsverbände

Inkassodienstleister können sich als Mitglied auch Berufsverbänden anschließen. Davon gibt es zwei nennenswerte in Deutschland, den Bundesverband Deutscher Inkassounternehmen (BDIU)↗ und den Bundesverband für Inkasso und Forderungsmanagement e. V. (BFiF e. V.)↗. Nach den Satzungen dieser Verbände ist es auch ausgewiesene Aufgabe dieser, die Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen durch die Mitgliedsunternehmen zu überwachen und gegebenenfalls zu sanktionieren. Wir gehören dabei keinem der beiden Verbände an.

Beide genannten Verbände halten für die Eingabe von Beschwerden ein online kostenlos zugängliches und nutzbare Formular auf der jeweiligen Homepage bereit. Die Verbände prüfen neben der Einhaltung der Vorgaben des Rechtsdienstleistungsgesetzes auch unter Umständen die Begründetheit der Forderung – führen also quasi dieselbe Rechtsprüfung durch, die ein Inkassodienstleister durchzuführen hat. Einziges Problem, sie prüfen nur Eingaben zu eigenen Mitgliedern. Deshalb müsste ein Schuldner wissen ob und in welchem Verband ein Inkassodienstleister überhaupt Mitglied ist. Die Verbände bilden dabei die Mitglieder auf deren Homepages in Mitgliederlisten ab.

cbc. Verbraucherschutzstellen

Auch Verbraucherschutzstellen nehmen Beschwerden↗ von Verbrauchern kostenlos zur Bearbeitung an und dabei auch Beschwerden von Schuldnern gegenüber Inkassounternehmen. Dies ist sinnvoll und richtig, da es leider in der Vergangenheit eine Vielzahl von “schwarzen Schafen” gab, die den Anschein erweckt haben Inkassodienstleistungen durchführen zu dürfen oder diese zwar rechtmäßig durchführen durften, aber nicht fachlich korrekt in gesetzlicher Art und Weise durchgeführt haben.

Unserer Erfahrung nach haben leider, da die Verbraucherschutzstellen wenig zentralisiert sind, an den dezentralen Einrichtungen ein fachlich überaus starken Unterschieden unterliegendes Gefälle bei den dort eingesetzten Menschen. Das führt in der Praxis dazu, dass oftmals Erklärungen abgegeben werden, die es für den Schuldner objektiv verschlimmern.

Auch fordern diese Stellen oftmals Unterlagen oder Handlungen, auf welche kein gesetzlicher Anspruch besteht. Ein kulanter und seriöser Inkassodienstleister wird dabei sicherlich das ein oder andere Mal übergesetzlich mitwirken, soweit und solange sich dies in wirtschaftlich zumutbaren Grenzen hält. Auch wir kommunizieren gelegentlich mit solchen Stellen und müssen leider oftmals feststellen, dass die Gespräche dann relativ häufig darauf hinauslaufen, dass wir dem Mitarbeiter dieser Stelle erst einmal Recht und Gesetz erklären müssen, damit dieser erstmalig versteht, was er da eigentlich gerade prüfen soll. Das war in der Vergangenheit teilweise überaus unerfreulich – insbesondere da sich auch in einem Sachverhalt gezeigt hat, dass sich bei entsprechender Stelle kein Lerneffekt eingestellt hat.

Wir raten Schuldnern daher grundsätzlich nicht von der Möglichkeit eine solche Stelle in Anspruch zu nehmen ab, weisen aber auf diese fachlichen Defizite an der einen oder anderen Stelle vorab ausdrücklich hin. Dann doch lieber gleich zum qualitativ hochwertigen und fachlich versierten Rechtsanwalt, oder?

cbd. spezialgesetzliche Fachstellen

Neben den vorgenannten Stellen gibt es auch spezialgesetzliche Fachstellen, bei denen Beschwerden eingegeben werden könne. Beispielsweise das Landesamt für Datenschutzaufsicht (Ansbach)↗ in Bezug auf Verstöße gegen das Datenschutzrecht oder die Bundesnetzagentur↗ bei Verstößen gegen kommunkationsrechtliche Vorgaben der Telekommunikation. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Stellen mit spezieller Materie, nur sind die vorgenannten die meist einschlägigsten.

D. Inhalt von Beschwerden

Beschwerden können jeden denkbaren Inhalt haben. Sie können beispielsweise die Art und Weise der Dienstleistung oder des Produktes oder das Auftreten eines Unternehmens gegenüber Kunden betreffen. Darüber hinaus sind alle möglichen weiteren Umstände als Beschwerdeanlass denkbar. Unternehmen grenzen diesen Inhalt deshalb manchmal teilweise im Vorfeld festgelegt ein. Bei Inkassodienstleistern kommen zu den vorgenannten Beispielen immer auch noch die tatsächlichen und rechtlichen Einwendungen, Einreden, Behauptungen und Argumente gegen die zur Beitreibung auftragsgemäß eingemeldete Forderung des Auftraggebers.

Dabei gibt es beispielsweise rechtshemmende, rechtsgestaltende und rechtsvernichtende Einwendungen. Diese sind vom Inkassounternehmen schon deshalb zu prüfen, da gesetzlich nur berechtigte Forderungen beigetrieben werden dürfen. Dies dient einerseits vorwiegend dem Schutz von Schuldnern und andererseits nachrangig auch der Aufklärung von Auftraggebern.

da. Beschwerdeinhalte mit Pflicht zur Prüfung

Alle Beschwerden, die inhaltlich tatsächliche oder rechtliche Argumente gegen die Forderung beinhalten unterliegen der Prüfpflicht durch den Inkassodienstleister. Dies betrifft formell-rechtliche Umstände ebenso wie materiell-rechtliche.

db. Beschwerdeinhalte ohne Pflicht zur Prüfung

Beschwerden seitens Beschwerdeführern gegenüber Inkassounternehmen, die abseits der materiell-, oder formell-rechtlichen Inhalte zur konkret betroffenen Forderung Umstände im Verhältnis zwischen eingemeldetem Schuldner und konkret betroffenem Auftraggeber thematisieren unterliegen keiner Prüfpflicht durch den Inkassodienstleister. Dies betrifft beispielsweise zwischenmenschliche Umstände oder sonstige dort bestehende kommunikative Missverständnisse ebenso wie anderweitige, nicht im Rahmen der konkreten Forderungsbeitreibung betroffene vertragliche Beziehungen zwischen dem Schuldner und dem Auftraggeber.

dc. Unsachliche Beschwerden

Beschwerden werden durch Unternehmen meist grundsätzlich nur bearbeitet, wenn dabei auch eine zumindest ansatzweise erkennbare Sachlichkeit in der Beschwerde erkennbar ist. Wird die Beschwerde beispielsweise in einer inhaltlich unangemessenen, insbesondere respektlosen Art und Weise seitens des Beschwerdeführer eingereicht, dann steht es dem Unternehmen stets frei, auf eine Reaktion darauf zu verzichten.

Inkassounternehmen sind in der Praxis nicht nicht Vermittler zwischen Schuldner und Auftraggeber, wobei Sie formal der Sphäre des Auftraggebers zuzuordnen sind, sondern leider viel zu oft auch “Prellbock” emotionaler Entgleisungen der Schuldner. Neben oftmals generell respektlosem Umgangston kommt es nicht selten vor, dass Mitarbeiter von Inkassounternehmen durch Schuldner beleidigt oder Ihnen gegenüber sogar Drohungen ausgesprochen werden. Als bestes Beispiel dazu muss man sich beispielsweise nur einmal die nutzungs- und rechtswidrig abgegebenen und öffentlich online publizierten Bewertungen von Schuldnern gegenüber Inkassounternehmen, beispielsweise auf Trustpilot↗ ansehen und durchlesen.

Es versteht sich von selbst, dass einige dieser – meist emotional bedingten – Entgleisungen neben dem Umstand, dass Beschwerden nicht aufgenommen werden müssen auch rechtliche Schritte seitens der Inkassodienstleister gegen Schuldner auslösen.

dd. Unkonkrete Beschwerden

Sind eingereichte Beschwerden inhaltlich nicht oder nicht ausreichend konkret, sondern allenfalls abstrakt oder überhaupt nicht zuordenbar, wird das Unternehmen beim Beschwerdeführer Rückfragen stellen um die Unkonkretheiten auszuräumen oder eine Zuordnung überhaupt zu ermöglichen. Nur wenn Antwort auf diese Rückfragen die Mängel der Beschwerde beseitigen kann das Unternehmen überhaupt die inhaltliche Prüfung der Beschwerde beginnen.

Hinweis Identitätsdiebstahl & Personenverwechslung:

Identitäsdiebstahl ist das rechtswidrige Nutzen personenbezogener Daten einer anderen Person – meist zu dessen Schädigung und zur eigenen Bereicherung durch den Täter. Eine Personenverwechslung liegt vor, wenn die bekannten personenbezogenen Daten zur Identifikation von mehr als einer Person passen und letztlich die falsche Person dieser Daten in Anspruch genommen wird. Letzteres kommt gelgentlich vor, wenn ein sehr häufiger Vor- und Nachname beim Schuldner vorliegt.

a) Identitätsdiebstahl:

In der Praxis der Forderungsbeitreibung wird gelegentlich schuldnerseitig behauptet, dessen Daten wären durch unbekannte gestohlen worden. Das Inkassounternehmen nimmt diese Behauptungen grundsätzlich auf und fordert vom Schuldner aufgrund dieser Behauptung, dass dieser seine Stammdaten mitteilt. Nur so kann das Inkassounternehmen die Behauptung prüfen und verifizieren. Diese Mitwirkung des Schuldners ist freiwillig und kann nicht gegen dessen Willen durchgesetzt werden. Wirkt der Schuldner allerdings nicht in seinem eigenen Interesse mit, läuft er Gefahr, dass er weiterhin durch das Inkassounternehmen wegen der Forderung in Anspruch genommen wird.

b) Personenverwechlung:

Behauptet ein Schuldner in der Forderungsbeitreibung, man verwechsele ihn mit einer anderen Person, prüft der Inkassodienstleister die auftraggeberseitig eingemeldeten diesbezüglichen Daten und deren Herkunft abermals und gleicht diese mit dem Schuldner ab. Ergibt sich dabei, dass wirklich eine Personenverwechslung vorliegt, wird dieser Schuldner ausgebucht iund der Inkassodienstleister beginnt die Ermittlung des dann korrekten Schuldners.

de. Offensichtlich unbegründete o. unsubstantiierte Beschwerden

Sollten Beschwerden mit Inhalten eingereicht werden, deren Inhalt ganz offensichtlich unbegründet ist, so muss ein Beschwerdeverfahren durch Unternehmen nicht ausgelöst werden. Unbegründetheit liegt vor, wenn beispielsweise ein Argument darin erbracht wird, dass keine tatsächliche oder rechtliche Gewichtung inne hat. Es genügt dann die bloße Klarstellung in Form einer Mitteilung über die Umstände der Unbegründetheit an den Beschwerdeführer durch das Unternehmen. Gleich verhälts es sich mit unsubstantiierten Beschwerden. Als unsubstantiiert gilt eine Beschwerde die Informationen und Tatsachen aufweist, die durch nichts mit der Vertragsbedziehung zwischen Kunden und Unternehmen zu tun hat.

Beispiel 1 zu Unbegründetheit einer Beschwerde gegenüber Inkassounternehmen:

Wendet ein Schuldner ein, einen Vertrag widerrufen zu haben und gibt er dabei ein Datum an, das außerhalb der gesetzlichen oder vertraglichen Widerrufsfrist liegt, dann ist der Widerruf rechtlich bereits als verspätet einzuordnen und entfaltet keine rechtliche Wirkung.

Beispiel 2 zu Unbegründetheit einer Beschwerde gegenüber Inkassounternehmen:

Behauptet ein Schuldner, er hätte nie einen Vertrag geschlossen, da er nie etwas unterschrieben habe, es liegt aber ein online geschlossener Vertrags durch den Audftraggeber nachgewiesenermaßen vor, dann ist das Beschwerdeargument rechtlich unbeachtlich, da der Schuldner sich offensichtlich lediglich nur nicht über einen wirksamen Vertragsschluss im klaren ist.

df. Beschwerden einzig aus sachgrundfremden Erwägungen

Wird eine Beschwerde erkennbar aus sachgrundfremden Erwägungen eingereicht, darf das Unternehmen diese reaktionslos abweisen. Häufigster praktischer Fall ist dabei die Einreichung einer Beschwerde durch den Schuldner einzig zum Zweck “Zeit zu gewinnen“. Inkassounternehmen schreiben oder kontaktieren Schuldner in der Praxis Vielfach, bevor beispielsweise das gerichtliche Mahnverfahren betrieben wird. Sollte ein Schuldner nachdem dies erfolgt und ihm bekannt ist eine Beschwerde beim Inkassounternehmen einreichen um ein Beschwerdeverfahren zur Gewinnung von Zeit zu erreichen, so ist dies einerseits prozesstaktisch unklug und andererseits sachgrundfremd.

Im Mahnverfahren steht es dem Schuldner frei einen Widerspruch gegen den Mahnbescheid, bzw. einen Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid einzureichen. Macht er dies muss das gerichtliche Hauptverfahren betrieben werden und es entstehen dabei nicht nur unerhebliche Kosten. Dies wollen Schuldner oftmals praktisch vermeiden – offensichtlich in dem Wissen nur überschauberer gerichtlicher eigener Erfolgsaussichten – weshalb das Beschwerdeverfahren zur Gewinnung von Zeit teilwesie missbraucht wird.

Inkassodienstleister müssen solche Beschwerden grundsätzlich nicht bearbeitetn, werden dies intern parallel zu den laufenden Maßnahmen zumeist allerdings ohne die Forderungsbeitreibung “ruhend zu stellen” und ohne den Schuldner darüber zu informieren dennoch durchführen.

E. Ablauf der Bearbeitung von Beschwerden

Stellt sich eine Beschwerde als prüfpflichtig dar, beginnt die eigentliche Beschwerdebearbeitung. Dabei wird die Beschwerde nach interner Verantwortlichkeit, ggf. durch Einholung weiterer Informationen und Auskünfte auf deren inhaltliche Begründetheit in einem im Vorfeld intern festgelegten Zeitraum überprüft, bewertet und einem Ergebnis zugeführt.

ea. Eingangsbestätigung

Nach Eingabe von Beschwerden sollte das betroffene Unternehmen den Eingang der Beschwerde gegenüber dem Beschwerdeführer zunächst bestätigen. Dadurch weiß der Beschwerdeführer, dass sein Anliegen einerseits das Unternehmen tatsächlich erreicht hat und andererseits, dass sich das Unternehmen mit dieser inhaltlich fundiert auseinandersetzen wird. Beide Seiten – Beschwerdeführer und Unternehmen – sollten dabei alle zur Beschwerdebearbeitung gehörenden Unterlagen dokumentieren, also geordnet aufbewahren. Unternehmen verwenden hier oftmals automatisierte Emails als Eingangsbestätigungsnachweis.

eb. “Ruhend Stellung”

Inkassounternehmen stellen bei Eingang einer Beschwerde zu einer auftragsgemäß beizutreibenden Forderung, die Forderungsbeitreibung zunächst “ruhend“. Das heißt, dass der Inkassodienstleister solange dieser die Beschwerde auswertet und prüft, die Forderungsbeitreibung zeitweilig aussetzt. Dadurch werden weitere Kontaktaufnahmen – außerhalb der Beschwerdebearbeitung – beim Schuldner mit dem Ziel der Forderungsbeitreibung ausgesetzt und es wird zudem von der Auslösung weiterer teilweise kostenaufwerfender Maßnahmen abgesehen.

Stand also vor Beschwerdeeingang beispielsweise im Raum, dass das Inkassounternehmen zeitnah das gerichtliche Mahnverfahren einleiten könnte, wird diese Maßnahme durch die interne “Ruhendstellung” temporär zurückgestellt.

ec. Mitteilungen

Neben der meist automatisierte Eingangsbestätigung zur Beschwerde können im Rahmen der Beschwerdebearbeitung zahlreiche diesbezügliche Mitteilungen an den Beschwerdeführer ergehen.

Einerseits wird meist mitgeteilt, wie lange das Beschwerdeverfahren voraussichtlich andauern wird, andererseits kann es vorkommen, dass Mitteilungen ergehen, dass sich der Prüfzeitraum zeitlich verlängert. Die liegt praktisch oft am Umstand, dass Auskünfte beispielsweise des Auftraggebers einzuholen und abzuwarten sind.

Hinweis zum “Masseninkasso“:

Von “Masseninkasso” wird gesprochen, wenn ein Inkassodienstleister für ein und demselben Auftraggeber zahlreiche in Entstehung und Inhalt gleich gelagerte Forderungen auftragsgemäß entgeltlich beitreiben soll. Da die Forderungen dabei immer gleich entstanden sind, immer die gleichen Unterlagen verwendet werden und sowohl der Vertrag, als auch die Korrespondenz zwischen dem Auftraggeber und seinem Kunde (dem Schuldner) stets inhaltlich gleich ist, muss der Inkassodienstleister die eingemeldeten Forderungen nur stichprobenmäßig prüfen. Es werden dort also nicht alle einzelnen eingemeldeten Forderungen geprüft, sondern nur ein geringer Prozentsatz. Deshalb liegen dem Inkassounternehmen die vollständigen Unterlagen zur eingemeldeten Forderungen auch nur zu den stichprobenmäßig geprüften Forderungen vor.

Dieses Vorgehen ist gesetzlich und durch die Rechtsprechung bestätigt worden und ergibt sich auch aus üblichen und anerkannten Marktmechanismen.

Ein in diesem Segment tätiger Inkassodienstleister wird im Rahmen der Beschwerdebearbeitung sehr häufig bei Beschwerdeeingang zur konkreten Forderung die Unterlagen erst beim Auftraggeber anfordern müssen um die konkrete Prüfung durchführen zu können.

Deshalb dauert das Beschwerdeverfahren dort auch in der Regel länger.

Ferner können Zwischenergebnisse mitgeteilt werden und Rückfragen an den Beschwerdeführer ergehen. Zuletzt wird abschließend das Ergebnis des Beschwerdeverahrens an den Beschwerdeführer mitgeteilt.

ed. Abschluss des Verfahrens

Das Beschwerdeverfahren wird durch die Prüfung aller vorliegender Unterlagen, Auskünften und Informationen mit einem entsprechenden Ergebnis abgeschlossen. Das Ergebnis wird dem Beschwerdeführer anschließend mitgeteilt. Je nach Ergebnis der Prüfung zur Beschwerde können anschließend unterschiedliche Folgen eintreten.

Das Ergebnis kann bezogen auf die Forderungsbeitreibung wie folgt lauten:

  • Ergebnis: positiv = Beschwerde begründet
  • Ergebnis: negativ = Beschwerde unbegründet
  • Ergebnis: uneindeutig = Kulanz- / Einigungslösung finden

F. Ergebnis des Beschwerdeprozesses

Ist die Beschwerde aus Sicht des Inkassodienstleisters begründet wird ihr abgeholfen. Das Inkassounternehmen teilt dem Beschwerdeführer und dem Auftraggeber das begründete Ergbnis nach eigener Einschätzung mit. Gegenüber dem Schuldner bucht es die Forderung aus. Erscheint die Beschwerde für den Inkassodienstleister unbegründet, teilt es dies dem Schuldner und Auftraggeber ebenfalls begründet mit und führt die beauftragte Beitreibungstätigkeit auftragsgemäß anschließend gegen den Schuldner fort.

Recht ist auslegungsfähig. Dies führt in der Praxis im Rahmen der Rechtsanwendung manchmal zum Ergebnis, dass ein Sachverhalt aufgrund einer Frage in verschiedene Richtungen ausgelegt werden kann. Dann liegt ein uneindeutiges Ergebnis vor. Dies teilt ein Inkassodienstleister dem Auftraggeber mit und wartet dessen Stellungnahme ab. Da der Auftraggeber in der Forderungsbeitreibung “Herr des Verfahren” ist, entscheidet dieser, ob er das Risiko uneindeutiger Auslegung oder Rechtsprechung einzugehen bereit ist. Inkassounternehmen dann vertraglich zur Umsetzung des vom Auftraggebers geäußerten Willens vertraglich verpflichtet.

Beispiel für uneindeutige Fälle:

Der Schuldner wendet Verjährung ein. Diese wäre auch rechnerisch nach gesetzlichen Regelungen bereits kurz zuvor eingetreten. Der Auftraggeber behauptet, es hätte Verhandlungen mit diesem Kunden über diese Forderungen gegeben, Nachweise dazu legt der Auftraggeber ansatzweise vor. Verhandlungen über Ansprüche können die Verjährung kraft Gesetz hemmen und den Zeitpunkt des Eintritts der Verjährung zeitlich verschieben. Das Risiko trägt der Auftraggeber, das Ergebnis ist ohne ausreichende Nachweise uneindeutig.

Hinweis zu verjährten Forderungen:

Jeder Forderungsinhaber darf vom Schuldner der Forderung bei eingetretener Verjährung weiterhin die Forderung beanspruchen. Bei Erhebung der Einrede der Verjährung durch den Schuldner würde sich nur eine gerichtliche Durchsetzung nicht mehr erfolgreich betreiben lassen. Außergerichtlich kann der Forderungsinhaber die Forderung immer weiter beim Schuldner – auch trotz Erhebung der Verjährungseinrede – geltend machen. Diese wird nach Eintritt der Verjährung in Verbindung mit der Erhebung der Einrede der Verjährung zu einer sogenannten “Naturalobligation” im Sinne von § 214 Absatz 2 BGB.

G. Missbrauch des Beschwerdeverfahrens

Der Missbrauch des Beschwerdeverfahrens wirft grundsätzlich keine Kosten auf, obwohl sich Mitarbeiter fundiert mit den Inhalten etwaiger Beschwerden auseinandersetzen müssen. Wird ein Missbrauch dieses Verfahrens dann zu einem bestimmten Zeitpunkt erkannt, wird die Folge sein, dass das Unternehmen sicherlich in keinster Weise mehr Kulanz oder Entgegenkommen aufbringen wird. Für Inkassodienstleister gilt dabei nichts anderes. Missbraucht ein Schuldner das Beschwerdeverfahren gegenüber dem Inkassounternehmen, wird dieses sicherlich mit entsprechendem Nachdruck und reduzierter Einigungsbereitschaft, sowie ohne jederlei Kulanz die Forderung rigoros gegen den Schuldner beitreiben.

Hinweis zum Missbrauch:

Ein Missbrauch des Verfahrens liegt beispielsweise vor, wenn das Beschwerdeverfahren durch ein und denselben Schuldner mehrfach bemührt wird. Das heißt, reicht ein und derselbe Schuldner zwei Beschwerden zur Forderung ein, die inhaltlich identisch sind und bereits in erstem Beschwerdeverfahren hinreichend geprüft und beantwortet wurde, so wird praktisch das Verfahren durch den Schuldner missbraucht.

Gleiches gilt in den Fällen nach dc. (unsachliche Beschwerden) und df. (sachgrundfremd motivierte Beschwerden) dieses Beitrages.